Manche Häuser bergen Geheimnisse, so auch der Peterhof an der Zürcher Bahnhofstrasse. Wohin führte wohl ursprünglich die Treppe vom Erdgeschoss des dort ansässigen Modegeschäftes in die heutige «contemporary men’s world»?
Der Peterhof an der Bahnhofstrasse 30 in Zürich wurde 1913 von den Architekten Gebr. Pfister erbaut. Das Gebäude beeindruckt nicht nur von aussen, sondern auch im Inneren mit seiner herausragenden Baukunst. Die ursprüngliche Disposition ist sehr präzise: Die Nutzungen gruppieren sich um den zentralen Lichthof, welcher als grosszügige Halle zur opulenten Haupttreppe führt. Das Foto zeigt das Modehaus an der Seite der Petersgasse etwa um 1955.
Privater Catwalk im Untergeschoss
Eine Spezialität des exklusiven Modehauses war früher die Vorführung der Kleider am «lebenden Modell». Die Kundinnen wählten ein Kostüm aus, das dann von einem der Hausmodels auf einer kleinen Bühne im Raum unter der zentralen Halle, der eigens dafür geschaffen worden war, vorgeführt wurde. Was die Kundinnen dann sahen, darf man sich so vorstellen:
Die Frau hinter der Model-Rolle
Was die Kundinnen nicht wussten: Das Model auf dem Bild stammt aus dem tiefsten Emmental. Die Frau ist 23 Jahre alt und Mutter einer zweijährigen Tochter. Ihr Mann, ein Architekturstudent an der ETH, und sie werden von ihren Eltern knappgehalten. Damit bringen die beiden gut situierten Familien ihre Missbilligung der ungebührlich frühen Elternschaft zum Ausdruck. So kommt es, dass sich die junge Frau als Hausmodell von Grieder etwas dazuverdient und das Studentenleben dadurch etwas lustiger wird.
Und plötzlich verweben sich zwei Geschichten
Im Haus, dessen Geschichte ich dokumentieren darf, finde ich Spuren meiner Familie. Das Bild zeigt meine Mutter Agnes im Jahr 1957 auf der Bühne des Vorführraumes im Untergeschoss des Modehauses. Meine Eltern und meine Schwester ziehen dann 1962 nach Bern, wo ich 1964 geboren wurde. Hier stehe ich also an einem kalten Februarmorgen in diesem geheimnisvollen Raum, reise 67 Jahre in die Vergangenheit und begegne einem Teil meiner eigenen Geschichte. Es ist ein kurioser Moment.
Anna Suter