Was früher städtischer Gartenbau hiess, kommt heute im hippen Gewand als Urban Gardening daher. Den Athenern ist es herzlich egal, wie man es nennt: Ihr sorgfältig gehegtes Grün ist ihnen heilig – aus gutem Grund.
Der städtische Gartenbau hat eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert wurden städtische Flächen bewirtschaftet. Die Stadtbevölkerung konnte so mit gesundem Obst und Gemüse versorgt werden, ohne dass dieses nach langen Transporten vom Land her als Wurmfrass auf den Markt gelangte. In Kriegszeiten geriet die städtische Gemüse- und Früchteproduktion zur Überlebensstrategie: zur Überbrückung von Versorgungsengpässen, aber auch zur Festigung des Zusammenhaltes der Stadtbewohner.
Hier schön und trendy …
Heute treibt das Gärtnern in hiesigen Städten so bunte Blüten wie selten zuvor. Urban Gardening unterstützt den Gemeinschaftssinn und fördert die Aneignung des städtischen Raumes durch seine Bewohner. Lebensnotwendig ist es jedoch nicht mehr. Ich behaupte: In Athen ist das anders. Betrachtet man die Stadt von oben, ist es kaum vorstellbar, dass in dieser dichten Steinwüste gelebt werden kann. Insbesondere, wenn man die sommerliche Gluthitze und den infernalischen Verkehr erlebt hat.
… dort bitter nötig
Taucht man in das Athener Häusermeer ein und bewegt sich auf Strassenniveau, zeigt sich eine andere Welt: Es gibt kaum eine Strasse oder einen Platz ohne Urban Gardening. Aufgrund privater Initiativen werden lange Strassenzüge mit Bäumchen und Büschen in Raumsequenzen unterteilt. Baumdächer begrenzen den Strassenraum nach oben und verwandeln ihn in einen angenehmen, schattigen Ort. Die vielen Pflanzen verbessern das Mikroklima, und manch ein blühender Oleanderbusch tröstet über den desaströsen Zustand der dahinterliegenden Fassade hinweg.
Athen wählt grün.
Der städtische Gartenbau, der wegen den mehrheitlich versiegelten Flächen in Töpfen stattfindet, ist den Athenern wichtig. Die Pflanzen werden mit viel Aufwand und Sorgfalt jeden Abend von ihren Kümmerern gegossen. Man ist sich einig: Die Pflanzen sind ein Teil der Überlebensstrategie in dieser spannenden, aber auch herausfordernden Stadt.
Anna Suter