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Hallo Strasse, was ist deine Geschichte?

Es ist nicht die Zeit der grossen Sprünge, auch nicht der grossen Reden. Es ist die Zeit der Spaziergänge im kleinen Radius. Auf den vertrauten Wegen entdeckt man Neues, eine Anregung oder ein Gedanke beflügelt, Schritt für Schritt.

So sind mir bei meinem heutigen Spaziergang die Namen der Strassen aufgefallen, in denen ich aufgewachsen bin. Z. B. Böcklinstrasse, Steinerstrasse, Ensingerstrasse. Warum nehme ich seit fast einem halben Jahrhundert diese Namen einfach an, ohne mich wirklich zu interessieren, woher sie kommen, wer dahintersteht? Nun: Als Kind hatte ich mir die Namen einfach selbst erklärt – mit Gültigkeit bis heute.

Böcklinstrasse: Es ist, wie es ist.

Die Böcklinstrasse hiess Böcklinstrasse, weil die Grossen ihr so sagten. So wie ein Tisch eben ein Tisch ist. Die Verbindung zum grossen Maler des Symbolismus, der mich im Gymnasium masslos fasziniert und zu unzähligen Skizzen-Nachmittagen im Museum verleitet hatte, habe ich mir erstaunlicherweise erst heute bewusst gemacht.

Steinerstrasse: Lieber einen Umweg gehen …

Die Steinerstrasse hiess ganz klar so, weil meine Kinderärztin Frau Doktor Steiner dort ihre Praxis hatte: Eine sehr liebevolle ältere Frau – und dennoch fürchtete ich sie wie der Teufel das Weihwasser. Dass der Namensgeber der Erfinder des Steinerschen Satzes in der Mechanik ist, welcher mich im Grundstudium sehr viel Energie kostete, habe ich mir nicht vorgestellt.

Ensingerstrasse: das grüne Rentnerbiotop.

Die Krönung des kindlichen Plausibilisierens passiert bei der Ensingerstrasse. Ensinger war für mich bis heute kein Name, sondern eher eine Flurbezeichnung wie Au oder Egg. Ein Ort mit grossen Gärten und wohlhabenden alten und auch etwas langweiligen Leuten, die nicht gestört werden wollen. Dass Matthäus Ensinger ein schwäbischer Baumeister war, welcher im 15. Jahrhundert die Bauleitung beim Berner Münster verantwortete, ist doch wirklich unglaublich. Alle diese Strassen sind das Resultat der grandiosen Stadtplanung Kirchenfeld.

Die letzten beiden Bilder aus einem anderen Quartier zeigen, dass nicht jeder Ort die Bezeichnung Strasse verdient. Selbst wenn die Namensgeber den Spazierenden wohlbekannt und noch lebhaft in Erinnerung sind: Einen Unort kann man nicht schönschreiben!

Anna Suter

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